Insekten essen: Proteinquelle der Zukunft

Mehlwürmer, Grillen, Maden und Co strapazieren zwar unsere kulinarische Toleranz, sind aber eine klimaschonende Fleischalternative mit sehr gutem Nährstofprofl. FOODFORUM erklärt, wie gesund und nachhaltig es tatsächlich ist Insekten zu essen
Text: Simonetta Zieger | Fotos: shutterstock stockcreations

Insekten sind überall, pflanzen sich schnell fort, besitzen hohe Wachstums- und Futterumwandlungsraten und einen niedrigen umweltbedingten Fußabdruck über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg.“ So heißt es 2013 in einer Veröffentlichung der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen, der FAO (Food and Agriculture Organization). Interessant ist, dass sich 2.000 der rund eine Million Insektenarten für den menschlichen Verzehr eignen. Aus Sicht der FAO sowie von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen könnten Insekten als Lebens- und Futtermittel eingesetzt werden und zahlreiche Vorteile für Gesundheit, Umwelt, Gesellschaft und Ökonomie mit sich bringen. Doch obwohl in einigen Regionen der Welt die Entomophagie, also der Verzehr von Insekten, bereits in die Esskultur integriert ist, lehnen sie manche Menschen strikt ab. Vor allem in europäischen Ländern lösen Insekten auf dem Teller bisher häufig Ekel aus. Dr. Florian J. Schweigert, Professorfür Physiologie und Pathophysiologie der Ernährung an der Universität Potsdam, führt dies vor allem auf Tradition und Erziehung zurück. Er schreibt in seinem Buch: „Die Landmasse ist limitiert, die Ozeane sind überfischt. Der Klimawandel hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion. Wir müssen uns ernsthafte Gedanken darüber machen, was wir essen und wie wir es produzieren.“ In der Entomophagie sieht er die Lösung.

Insekten essen: Zahlreiche gesundheitliche Vorteile

Da wäre zum einen der extrem hohe Protein-Gehalt von Insekten. 69 Gramm (!) hochwertiges Protein pro 100 Gramm liefern etwa Grillen und stellen damit Hühnerfleisch (25 g) und Magerquark (12 g) in den Schatten. In Entwicklungsländern sind Insekten daher oft eine wertvolle Ergänzung der ansonsten kohlenhydratbasierten Kost. Beim Blick auf die biologische Wertigkeit, also die Qualität der Proteine, stehen Insekten anderen Produkten (tierischen) Ursprungs ebenfalls in nichts nach und versorgen den Körper mit essenziellen Aminosäuren. Durch die Kombination aus hohem Ballaststoffanteil (zwischen 5 und 8 Gramm pro 100 Gramm Insekten) und niedrigem Gehalt an schnellverdaulichen Kohlenhydraten machen Grillen, Würmer und Co lange satt – und liefern 450 bis 550 Kilokalorien pro 100 Gramm. Und während Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch kaum gesunde ungesättigte Fettsäuren enthalten, liefern Insekten umso mehr davon. Sie enthalten außerdem reichlich Mineralien (Calcium, Phosphor, Kupfer, Eisen, Magnesium, Selen, Zink) und wasserlösliche B-Vitamine wie Riboflavin (B2), Panthothensäure (B5), Thiamin (B1) und Biotin (B7). Zudem finden Insekten seit langem Anwendung in der chinesischen Medizin, weil sie blutstillend, schmerzlindernd und sogar entgiftend und immunstärkend wirken sollen.

Der gesundheitliche Nutzen beim Verzehr von Insekten beschränkt sich dabei keinesfalls auf die ernährungsphysiologischen Vorteile für die Menschheit, sondern bringt auch Vorteile für die Umwelt.

DOs und DON'Ts beim Insekten essen

DOs beim Insekten essen

  • Probieren Sie verschiedene Insektenarten. Wer keine ganzen Würmer oder Käfer verzehren möchte, kann mit Insektenmehl beim Kochen und Backen experimentieren oder verzehrfertige Riegel, Pasta oder Saucen kaufen.
  • Beim Insektenkauf stets auf Aufzucht und Herkunft achten. Insektenfarmen in den Niederlanden, Frankreich, Kanada und Thailand arbeiten nach strengen Richtlinien und beliefern Start-ups und andere insektenverarbeitende Betriebe.
  • Supermarktprodukte unterliegen einer strengen lebensmittelrechtlichen Überwachung und sind unbedenklich.

DON’Ts beim Insekten essen

  • Wer gegen Hausstaub(milben), Schalen- oder Krustentiere allergisch ist, kann aufgrund von Kreuzallergien auch auf Insekten reagieren und sollte dies vorsichtig testen oder vorab den Arzt fragen.
  • Insekten auf keinen Fall in der freien Natur sammeln, denn sie könnten von Parasiten befallen sein oder vorab Müll gefressen haben und somit Krankheitserreger tragen.
  • Insekten aus dem Zoo-Fachgeschäft taugen als Angelköder oder Vogelfutter. Für den menschlichen Verzehr sind sie aber meist nicht geeignet.

Benefit für Mensch, Tier und Umwelt

Im Sinne des „One-Health“-Ansatzes (Einklang der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt) könnte die Implementierung von Insekten in die verschiedenen Esskulturen die Flächen und Ressourcen schonen sowie die Ausstoßung von Treibhausgasen senken. Zum Vergleich: Die Produktion von Rindfleisch benötigt 4-mal mehr Futter, 12,5-mal mehr Fläche und 15.000-mal mehr Wasser als die Produktion der gleichen Masse Insektenfleisch. Diese Ressourcen-Einsparungen könnten einen Teil dazu beitragen die nach Schätzungen der Vereinten Nationen 8,5 Milliarden Menschen auf der Erde im Jahr 2030 ausreichend und ausgewogen zu ernähren. Hinzu käme der bessere ökologische Fußabdruck von Insekten. Denn der Ausstoß von Methan und Ammoniak ist bei der Rindermast 100-mal höher als bei der Insektenzucht. Weiterer Pluspunkt: Da Insekten anspruchslos in der Zucht sind, könnten Lebensmittelabfälle für die Fütterung verwendet werden – falls hygienisch unbedenklich und sauber. Solche Insekten wären gutes Tierfutter, sind aber aufgrund mikrobieller Richtlinien für den menschlichen Verzehr verboten. Neben gesundheitlichen und ökologischen Aspekten führt die FAO auch ökonomische und soziale Gründe an, weshalb die Produktion und der Verzehr von Insekten zukunftsorientiert sind. „Insektenernte und -zucht kann unternehmerische Chancen in Industrienationen sowie Schwellen- und Entwicklungsländern liefern“, so die FAO. Da der Einstieg in das Insekten-Business weder viel Know-how noch Ausrüstung bedarf, könnte es dazu beitragen, Existenzen zu sichern und Einkommen zu erweitern. Mit Blick auf diese Vorteile ist es verwunderlich, weshalb das Insektenessen bisher erst bei zwei Milliarden Menschen, überwiegend in Asien, Afrika, Australien und Südamerika, verbreitet ist – hier aber übrigens schon seit vielen Tausend Jahren. Die Novel-Food-Verordnung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ebnete dem Nahrungsmittel Insekt daher Anfang 2018 den Weg in die europäischen Supermärkte. Seitdem wächst das Sortiment. Start-ups bieten beispielsweise Proteinriegel oder Pasta mit Insektenmehl an. Zudem gibt es Schokolade mit Mehlwürmern und gefriergetrocknete Insekten im Sortiment. Geschmacklich überzeugen die Produkte durch ihre „nussige Note“ und „Knusprigkeit“.

2017 zeigte eine Studentin in ihrer ernährungswissenschaftlichen Masterarbeit an der Universität Kiel, dass Käfer, Raupen, Würmer und Co lieber verzehrt werden, wenn man zuvor über deren vielfältige Vorzüge aufgeklärt wird. Wie sieht es bei Ihnen aus? Hat Ihnen dieser Text das Insektenessen schmackhaft gemacht? In Aufklärungstexten
und -kampagnen sowie in Verkostungen sehen Wissenschaftler die größte Chance, Akzeptanz und Beliebtheit von Insekten zu steigern. Einen Versuch ist es definitiv wert. Für einen gesunden Genuss beachten Sie aber unbedingt die „Dos and Don’ts beim Insektenessen“

Redaktion
Simonetta Zieger
Ernährungs- und Gesundheitswissenschaftlerin (M.Sc.), Expertin für Nachhaltigkeit, Gesundheitsförderung und Rezepte
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