Hilfe bei Blasenentzündung

Blasenentzündungen kommen bei Frauen häufig vor und sind meist mild im Verlauf. Statt mit Antibiotika Bakterienresistenzen zu riskieren, sind Nahrungsergänzungsmittel und pflanzliche Medizin erste Wahl
Text: Merle Schonvogel | Fotos: Polina Zimmermann / pexels

Den nassen Badeanzug nach dem Schwimmen anbehalten, auf einer kalten Mauer länger sitzen – und schon ist sie bei vielen da, die Blasenentzündung (Zystitis). Kälte sorgt nämlich dafür, dass sich die Gefäße zusammenziehen, was die Durchblutung verschlechtert und in Folge die örtliche Immunabwehr schwächt. In der Blase vorhandene Keime können sich so verstärkt vermehren. Häufigster Auslöser einer Zystitis, so der medizinische Fachausdruck, sind die
im Darm vorkommenden Kolibakterien (Escherichia coli). „Sie gelangen über die Harnröhre in die Blase, wenn eine Frau sich nach dem Stuhlgang von hinten nach vorne säubert statt umgekehrt. Auch beim Geschlechtsverkehr ist es leicht möglich, dass Bakterien in die Harnröhre und von dort weiter in die Blase gelangen. Deswegen ist es wichtig, direkt nach dem Sex auf Toilette zu gehen“, erklärt die Professorin Daniela Schultz-Lampel, Urologin und Direktorin des Kontinenzzentrums am Südwest Schwarzwald-Baar Klinikum.
Nahezu jede zweite Frau macht in ihrem Leben mindestens eine Infektion durch. Männer sind davon sehr viel weniger betroffen. Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen liegen Harnröhrenausgang und After bei Frauen näher beieinander, zum anderen ist die weibliche Harnröhre mit etwa vier Zentimetern deutlich kürzer als die der Männer, die 20 bis 25 Zentimeter lang ist. Bakterien haben es bei Frauen also leichter, zur Blase aufzusteigen.

Lange Zeit wurden zur Behandlung einer Blasenentzündung gemäß der deutschen Behandlungsleitlinie standardmäßig Antibiotika eingesetzt. 2017 wurde die Leitlinie jedoch überarbeitet. Nun heißt es dort: „Die Diagnose einer Harnwegsinfektion und die Indikation zu einer Antibiotikatherapie sollten kritisch gestellt werden, um unnötige Therapien zu vermeiden und Resistenzentwicklungen zu reduzieren.“ Für viele Experten eine richtige Empfehlung. Denn laut Warnung der WHO könnten sonst im Jahr 2050 Antibiotikaresistenzen die häufigste Todesursache weltweit sein. Falls es bei einer unkomplizierten Zystitis aber nicht ohne Antibiotikum geht, ist nach der Behandlungsleitlinie Fosfomycin, ein oral einzunehmendes Einmal-Antibiotikum, das Mittel der Wahl.

Cranberry-Präparate säuern den Urin an

Meist lässt sich eine unkomplizierte Bla- senentzündung jedoch gut mit p anzlichen Mitteln behandeln. Gern zum Einsatz kom- men zum Beispiel Cranberrys. Ihre Wir- kung ist allerdings umstritten. Einige Stu- dien deuten zwar daraufhin, dass die roten Früchte sich zur Vorbeugung und teilweise auch zur erapie einer Blasenentzündung eignen. Etliche andere Untersuchungen konnten dafür aber keinen Nachweis er- bringen. Urologin Schultz-Lampel sieht das allerdings ganz pragmatisch: „Auch wenn es keine validen Studien zur Wirksamkeit von Cranberrys bei Zystitis gibt, spricht nichts dagegen, sie während einer unkomplizierten Blasenentzündung zu nehmen. Sie säuern den Urin an und das macht den Bakterien die Ansiedlung schwerer.“ Besser als Saft oder getrocknete Früchte eignen sich nach Ansicht der Expertin jedoch spezielle Cranberry-Präparate, weil bei ihnen die Wirkstoff-Konzentration höher ist. „Um auf diese Konzentration zu kommen, müsste man schon eine ganze Tüte getrocknete Cranberrys essen“, sagt sie. Und das schlägt sich dann wieder auf dem Kalorienkonto nieder.

Zur Vorbeugung und Zusatzbehandlung einer Blasenentzündung empfiehlt die Urologin ihren Patientinnen deshalb auch häufig D-Mannose, ein Wirkstoff aus der Gruppe der Einfachzucker. Die Substanz hemmt die Wechselwirkung der Bakterien mit der Schleimhaut der Harnblase und wird unverändert mit dem Harn ausgeschieden.

Foto: Larm Rmah / unsplash
Zystitis: bei Frauen meist unkompliziert

Nahezu jede zweite Frau bekommt mindestens einmal in ihrem Leben eine Blasenentzündung. In acht von zehn Fällen verläuft die Infektion jedoch unkompliziert und lässt sich mit natürlichen Mitteln behandeln. Oft reicht es sogar schon, zwei bis drei Liter Nieren- und Blasentee am Tag zu trinken und die Blase häufig zu entleeren. Auch eine Wärmflasche und warme Sitzbäder wirken lindernd. Sind die Beschwerden, vor allem der ständige Harndrang und das Brennen beim Wasserlassen, nach zwei bis drei Tagen nicht verschwunden oder treten krampfartige Schmerzen im Unterleib und Fieber auf, sollte der Arzt um Rat gefragt werden. Bei Männern kommt eine Zystitis zwar viel seltener vor, ist dann aber fast immer kompliziert und muss medizinisch therapiert werden.

Senföle hemmen die Keimvermehrung

Gut untersucht und wissenschaftlich belegt ist inzwischen auch die Bakterien- hemmende Wirkung von Meerrettich und Kapuzinerkresse. Verantwortlich dafür sind die enthaltenen Senföle (Glucosinolate), die zu den sekundären Pflanzenstoffen gehören. Sie gelangen über das Blut in den Kreislauf und reichern sich in der Harnblase, der Lunge und den Ausscheidungsorganen an, wo sie die Keimvermehrung stoppen. Weil die Senföle bereits im Magen und Dünndarm aufgenommen werden, bleibt die Mikrobiota im Dickdarm unberührt. Sprich: Die „guten“ Darmbakterien überleben. „Das ist der große Unterschied zu Antibiotika, die die Darmmikrobiota schädigen und durch die am Ende auch Resistenzen entstehen“, erklärt die Urologin. Um einen positiven Effekt zu erzielen, reicht es allerdings nicht, einen Salat mit Kapuzinerkresse und etwas Meerrettich zu verzehren. „Das ist zwar gesund. Für eine wirksame Therapie braucht es jedoch spezielle Präparate in kombinierter und konzentrierter Form“, so die Expertin.

Natürliche Antibiotika

Die in Meerrettichwurzel und Kapuzinerkresse enthaltenen Senföle wirken antibiotisch, antiviral und pilztötend. Bei der Kapuzinerkresse werden Blätter, Blüten und Samen verarbeitet. Der Meerrettich wird gerieben und als Konzentrat verwendet. Auch die antibakterielle Wirkung von Bärentraubenblättern gilt seit den 1980er Jahren als wissenschaftlich gesichert.

Valide Studien an den Universitäten Heidelberg und Freiburg konnten inzwischen belegen, dass die Senföle im Meerrettich und in der Kapuzinerkresse sogar gegen 13 klinisch relevante bakterielle Erregerarten wirksam sind. Darunter auch gegen den Krankenhauskeim MRSA und gegen Penicillin-resistente Pneumokokken, bei denen chemisch-synthetische Antibiotika an ihre Grenzen kommen oder ganz versagen. Der Nachweis wurde bis jetzt jedoch nur „im Reagenzglas“ erbracht. Die positive Wirkung der Senföle bei Blasenentzündung konnten die Freiburger Wissenschaftler inzwischen aber auch in vivo bestätigen: Bereits die einmalige Einnahme von fünf Senföl-Tabletten führte zu einer Konzentration im Urin, die sich signifikant entzündungshemmend auswirkte. „Es ist also durchaus möglich, bei Harnwegsinfektionen auf Antibiotika zu verzichten“, sagt Daniela Schultz-Lampel. „Allerdings spricht auch nichts gegen sie, solange die Einnahme mit Bedacht geschieht. Wenn die Beschwerden stark sind und zusätzlich Fieber besteht oder immer wiederkehrende Entzündungen auftreten, sind Antibiotika schon angebracht.“

Wer ein Kissen auf die kalte Bank legt und möglichst rasch nach dem Schwimmen die nasse Badekleidung auszieht, hat zudem auch einiges zur Vorbeugung einer Blasenentzündung getan – und kann den Sommer hoffentlich entspannt genießen.

Tipp: Bärentraubenblättertee herstellen

Die magenverträglichste Zubereitung ist wegen seines geringeren Gerbsto gehalts das Mazerat (Kaltauszug).

Dafür 2 Teelöffel Bärentraubenblätter pro Tasse über Nacht
kalt ansetzen, am folgenden Tag abseihen und auf Trinkwärme erhitzen. Bei akuten Beschwerden 3 bis 5 Tassen täglich trinken.

Redaktion
Merle Schonvogel
Ökotrophologin (B.Sc.), Expertin für Food-Wissen
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