Zehn Milliarden Menschen im Jahr 2050 gesund zu ernähren und gleichzeitig die Umwelt zu schonen – das geht, meint ein internationales Forscherteam, das kürzlich eine Art Welternährungsplan in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht hat. Voraussetzung dafür ist nach Ansicht von Kommissionsmitglied Tim Lang, Professor für Ernährungspolitik an der University of London, allerdings eine radikale Veränderung des Welternährungssystems. Walter Willett, Ernährungsexperte an der Harvard University und zugleich einer der beiden Kommissionsvorsitzenden, verdeutlicht diese Zukunftsvision: „Der globale Verzehr von Obst, Gemüse, Nüssen und Hülsenfrüchten müsste verdoppelt und der von Lebensmitteln wie rotem Fleisch und Zucker mehr als halbiert werden.“ Konkret sieht der Teller der Zukunft folglich so aus: Zur Hälfte ist er gefüllt mit Gemüse und Obst, zur anderen Hälfte mit Vollkorngetreide, pflanzlichen Proteinquellen, ungesättigten Pflanzenfetten und hin und wieder einer kleinen Portion „Tier“.
Also nie mehr Schnitzel mit Pommes oder Schweinebraten mit Knödeln? Doch. Übersetzt man die abstrakt anmutenden Zahlen in den Alltag, so kehrt der klassische Sonntagsbraten wieder zurück. Von ihrem täglichen Fleisch- und Wurstgenuss von fast 170 Gramm müssten sich die Deutschen dafür verabschieden und stattdessen mehr pflanzliche Proteinquellen nutzen. Weniger tierische, dafür mehr pflanzliche Lebensmittel das kommt Ihnen bekannt vor? Uns auch. Neuartig an den Forderungen der Kommission ist höchstens die Verknüpfung von gesunder Ernährung mit der nachhaltigen Produktion der Lebensmittel. Das Wissen um eine gesunde Ernährung ist längst vorhanden, es hapere jedoch an der Umsetzung, so das Fazit des Berichts. Zwischen der gegenwärtigen Esskultur und der Zukunftsvision klaffe eine große Lücke. Ungesunde Essgewohnheiten seien derzeit die Hauptursache für Krankheiten weltweit. Gelänge es, den Welternährungsplan zu realisieren, könnten etwa 11 Millionen vorzeitige Todesfälle pro Jahr verhindert werden, heißt es in dem Bericht weiter.
Demgegenüber steht der große Traum der Menschheit, ein langes, erfülltes Leben bei möglichst bester Gesundheit zu führen. Hundert Jahre ist die magische Zahl – für die meisten Menschen wohl unerreichbar. Mit der richtigen Anti-Aging-Strategie könnten viele aber zumindest gut neunzig Jahre alt werden, sind sich Altersforscher einig. Wissenschaftler des New York Genome Centers schätzen, dass nämlich nur etwa ein Viertel der Lebenserwartung in den Genen festgelegt ist. Gute Gene bringen etwa fünf Jahre mehr Lebenszeit, den Rest hat jeder selbst in der Hand. Und hier kommen die Darmbakterien ins Spiel. Die Zusammensetzung der Mikrobiota, früher auch Darmflora genannt, hat nämlich einen wesentlichen Einfluss auf unsere Gesundheit. Und diese Zusammensetzung wiederum hängt stark von der Ernährung ab.
Neuesten Erkenntnissen zufolge hat der menschliche Körper etwa 40 Billionen Zellen und genauso viele mit der Mikrobiota assoziierte Mikroorganismen. Mikrobiota bezeichnet die Gesamtheit aller Mikroorganismen in einem Wirtsorganismus, während der Begriff Mikrobiom deren gesamte genetische Information beschreibt (Mikrobiom wird jedoch oft synonym für Mikrobiota verwendet). „Was genau ein gesundes Mikrobiom ist, ist bislang aber noch weitgehend unklar“, stellt Elisabeth Bik, Mikrobiologin an der Stanford University, in einem Review von 2016 fest. Sicher ist, dass die Darmbakterien einen großen Einfluss auf ihren Wirt, den Menschen, haben.
Die Darmmikroben ziehen Energie aus der Nahrung und bauen einen Teil der Ballaststoffe, die der Mensch nicht verwerten kann, zu kurzkettigen Fettsäuren ab. Sie regen zudem die Darmperistaltik an, modulieren das Immunsystem, synthetisieren Vitamine, stärken die Barrierefunktion des Darms und besetzen Nischen, damit pathogene Keime sich nicht ansiedeln können. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Artenreichtum der Mikrobiota. Auch wenn die Studienlage nicht ganz eindeutig ist, verbinden Wissenschaftler eine größere Darmbakterien-Vielfalt mit Gesundheit und eine geringere mit verschiedenen Erkrankungen wie beispielsweise Adipositas, Diabetes Typ 2, Reizdarmsyndrom und kardiovaskulären Erkrankungen. Ob die Erkrankungen aus dem geringen Artenreichtum der Mikrobiota entstehen oder diese nur eine Folge der jeweiligen Krankheit ist, daran forschen Wissenschaftler noch.
Der Schlüssel zu einer gesunden, artenreichen Mikrobiota ist zweifellos die Ernährung. Unzählige Studien belegen, dass eine ballaststoffreiche, pflanzenbasierte Kost, wie sie auch die Lancet- Kommission vorschlägt, Darmbakterien glücklich macht. Wie viel Pflanzliches für das Darmglück aber tatsächlich nötig ist, zeigt eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2017: Nach Überprüfung der Ergebnisse von 95 Studien, an denen insgesamt rund zwei Millionen Menschen teilgenommen hatten, kamen die Autoren zu dem Schluss, dass die DGE-Empfehlung „5 am Tag“ (was etwa 400 Gramm Gemüse und 250 Gramm Obst täglich entspricht) zwar ausreicht, um das Krebsrisiko zu senken (der Mindestwert liegt laut Experten bei 600 Gramm Obst und Gemüse pro Tag). Zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall und eines frühzeitigen Todes sind jedoch über 800 Gramm notwendig. Laut der Meta-Analyse machte es übrigens keinen Unterschied, ob das Obst und Gemüse roh oder gekocht verzehrt wird. Das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen senkten besonders Äpfel und Birnen, Zitrusfrüchte, grünes Blattgemüse und grüne Blattsalate sowie Kreuzblütler, zu denen z. B. Brokkoli, Rosenkohl, Grün-, Rot- und Weißkohl (auch als Sauerkraut), Blumenkohl, Radieschen, Rucola, Kresse, Meerrettich, Kapern und Senf gehören. Die Kreuzblütler erwiesen sich neben grüngelben Gemüsesorten außerdem wirksam gegen Krebs.
Je bunter, desto besser – dieses Motto in der Ernährung bestätigt nicht zuletzt auch das Ergebnis einer Fall-Kontroll-Studie mit fast 1000 koreanischen Kolonkarzinom- Patienten. Danach reduziert ein insgesamt hoher Verzehr von Obst und Gemüse bei Männern wie bei Frauen signifikant das Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken. Besonders wirksam sind dabei grüne und weiße Obst- und Gemüsesorten, bei Frauen obendrein noch eine rot- bis lilafarbene Pflanzenkost. Die schützende Wirkung schreiben Forscher hauptsächlich den Ballaststoffen
Anders sieht es bei Kranken aus: Probiotika- Supplements können bei Neurodermitis, akuten Durchfallerkrankungen, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder Reizdarmsyndrom helfen und die Abwehrkräfte stärken. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass Probiotika die Gewichtsabnahme unterstützen. Damit sie sich im Darm ansiedeln können, müssen sie jedoch regelmäßig, am besten täglich verzehrt werden. Laut einem Leitfaden der World Gastroenterology Organisation liegt die ausreichende Keimzahl eines Supplements zwischen 1 und 100 Milliarden, wobei sich die genaue Dosis nach dem Einsatz richtet. Zu beachten ist dabei auch: Je näher das Probiotika-Supplement am Mindesthaltbarkeitsdatum liegt, desto geringer ist wahrscheinlich die Anzahl der darin enthaltenen lebenden Bakterien. Auf eigene Faust hier zu experimentieren ist nicht ratsam. Denn nach aktuellen Studien kann die ungezielte Einnahme sogar krank machen.
So gelten neben der Ernährung, wie sie in den Blue Zones praktiziert wird, auch eine basenüberschüssige Ernährung, Intervallfasten, zuckerfreie Ernährung oder eine Low Carb-High Fibre-Kost als Ernährungskonzepte, die im Zusammenhang mit Darmgesundheit stehen und Darmbakterien glücklich machen. Welche der vier verschiedenen Varianten in Frage kommt, hängt stark vom individuellen Ernährungstyp ab. Ihn herauszufinden – dabei hilft unser Test (S. 17). Die Umstellung gelingt nämlich umso leichter, je besser die gewählte Ernährungsform zu den persönlichen Vorlieben passt und je leichter sie sich in den jeweiligen Alltag integrieren lässt. Essen soll schließlich Spaß machen, dann fällt man auch nicht so schnell wieder in die alten, gewohnten Muster zurück.