Pro und Contra Vegan

Auf Lebensmittel tierischen Ursprungs komplett zu verzichten ist im Trend. Sei es aus gesundheitlichen, ethischen oder ökologischen Gründen.

Doch sind Veganer auch gesünder und schlanker? Unser Vegan Pro Contra mit Professor i. R. Dr. Claus Leitzmann und Professor Dr. Hans Hauner.

Pro: Professor i. R. Dr. Claus Leitzmann

Professor i. R. Dr. Claus Leitzmann ist Mikrobiologe und Ernährungswissenschaftler. Seine Forschungsschwerpunkte waren unter anderem Ernährungsökologie, Vegetarismus und immunologische Aspekte der Ernährung. 2010 gründete er mit Initiator Dr. Markus Keller das Institut für alternative und nachhaltige Ernährung in Gießen.

Die etablierte Ernährungswissenschaft stand der veganen Ernährung lange Zeit eher ablehnend gegenüber. Diese Ablehnung war weniger sachlich begründet als mit einer etwas diffusen Mischung aus Unkenntnis, Skepsis und Vorurteilen. Was unter anderem auch daran lag, dass es lang fast keine wissenschaftlichen Untersuchungen zur veganen Kost gab, sondern vorwiegend nur klinische Erfahrungen und vielerlei Erkenntnisse aus anderen Regionen der Welt sowie aus Wissensgebieten wie Naturheilkunde, Landwirtschaft und Ökologie.

Kritisches Vitamin B12

Neuere Studien können nun aber wissenschaftlich belegen, dass eine gut geplante vegane Ernährung für eine bedarfsgerechte Versorgung mit allen lebensnotwendigen Nährstoffen sorgt. Ausnahme ist Vitamin B12. Veganer, die sich vollwertig ernähren, brauchen bis auf dieses Vitamin deshalb keine Nahrungsergänzungsmittel oder entsprechend angereicherte Lebensmittel. Oftmals wird aber nicht auf eine ausgewogene und vielseitige Pflanzenkost geachtet, wofür oft mangelnde Kenntnisse verantwortlich sind. Dann können neben Vitamin B12 auch Vitamin B2 und D, Kalzium, Eisen, Zink und Omega-3-Fettsäuren kritisch werden. Nicht ausreichend versorgt mit einigen Vitaminen, Mineralsttoffen und Spurenelementen können jedoch auch Fleischesser sein, die mehr Fast Food als Frisches konsumieren. Andererseits sind Veganer mit einer ganzen Reihe von Nährstoffen meist besser versorgt als Fleischesser, was selten erwähnt wird. Etwa mit Beta-Carotin, Vitamin C und E, Thiamin, Pantothensäure, Folat, Biotin, Magnesium, sekundären Pflanzenstoffe und Ballaststoffen.

Vorausgesetzt also, Veganer haben ihren Nährstoffhaushalt im Blick, dann birgt eine vollwertige Ernährung ohne tierische Lebensmittel ein großes Potential, Zivilisationskrankheiten vorzubeugen. Das fängt schon damit an, dass Veganer meist schlanker sind und wesentlich seltener Übergewicht haben als die Allgemeinbevölkerung. Dazu trägt unter anderem die niedrige Energiedichte der Pflanzenkost bei. Denn bei gleichem Volumen der Nahrung werden weniger Kalorien aufgenommen. Gleichzeitig ist die Ballaststoffzufuhr deutlich erhöht. Die sorgt nicht nur für langanhaltende Sättigung, sondern reduziert zusammen mit einem geringeren Körpergewicht auch das Risiko für Diabetes Typ 2, wie die amerikanisch-kanadische Adventist Health Study 2 belegt.

Gesundheitliche Vorteile

Der reichliche Verzehr von Gemüse, Obst und Vollkornprodukten, verbunden mit einem geringeren Verzehr an Fett, gesättigten Fettsäuren und Cholesterin hat aber noch mehr gesundheitliche Vorteile. So wird auch das Risiko für Atherosklerose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck und verschiedene Krebserkrankungen gesenkt. Sogar rheumatische Erkrankungen, Hautprobleme und Migräne lassen sich mit einer rein pflanzlichen Ernährung mit viel Frischkost mildern oder heilen.

Einen nicht unerheblichen Einfluss auf diese positiven Wirkungen hat jedoch, dass Veganer meist insgesamt einen gesunden Lebensstil haben. Sprich: auf Alkohol und Zigaretten weitgehend verzichten und in ihrer Freizeit körperlich aktiv sind und Hobbies wie Sport, Tanzen und Gartenarbeit pflegen.

Vegan zu leben beinhaltet also nicht nur eine Kostform, sondern ist wesentlich umfassender. In Anbetracht des Hungers auf der Welt und des Klimawandels ist eine rein pflanzliche Ernährung Teil einer verantwortungsvollen Weltanschauung. Deshalb hat sie gute Chancen, die wichtigste Ernährungsform der Zukunft zu werden. Die Entwicklungen im Gesundheitsbereich, in der Umwelt und bei der Ressourcenverfügbarkeit wird die Geschwindigkeit dieses Wandels bestimmen. Die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, aber auch die einzelnen Verbraucher, müssen sich mehr und mehr in Richtung pflanzlicher Ernährung orientieren. In puncto nachhaltiger Entwicklung gibt es wenig Spielraum für andere Lösungen.

Contra: Professor Dr. Hans Hauner

Professor Dr. Hans Hauner ist seit 2003 Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin mit Standorten am TUM-Klinikum rechts der Isar und am Wirtschaftszentrum Weihenstephan.

Glaubt man dem Bild, das viele Medien zeichnen, dann ist die vegane Ernährung inzwischen aus der Ecke der exotischen Diäten heraus und zu einem modernen Ernährungs- oder besser Lifestyle-Trend geworden. Auch verschiedene Wirtschaftszweige, allen voran die Ernährungsindustrie, haben das Thema längst aufgegriffen. Sie versuchen mit immer mehr pflanzlichen Produkten, die konventionelle tierische Lebensmittel ersetzen sollen, von diesem Trend zu profitieren.

Doch viele dieser neuen veganen Produkte werden in der Regel mit den gleichen Methoden hergestellt wie konventionelle. Dazu enthalten sie oft eher mehr Zusatzstoffe, sind von meist fragwürdiger sensorischer Qualität und häufig richtig teuer. Bestes Beispiel dafür ist der vegane Käseersatz (Stichwort Analogkäse), der noch vor wenigen Jahren als Zutat auf Fertigpizzen verteufelt wurde, jetzt aber eine merkwürdige Auferstehung als edles veganes Produkt zu stolzen Preisen erlebt.

Kommerzialisierung

Damit wird die gut gemeinte Idee, auf Lebensmittel tierischer Herkunft komplett zu verzichten, um Tiere zu schützen und die begrenzten natürlichen Ressourcen zu schonen, zunehmend absurd und paradox. Trotzdem erheben viele Veganer den Anspruch, den Fleischessern moralisch überlegen zu sein, und versuchen sich von diesen bewusst abzugrenzen. Es ist natürlich völlig legitim, vegane Convenience-Lebensmittel zu erzeugen und zu konsumieren, aber die zunehmende Kommerzialisierung dieses Trends treibt immer seltsamere Blüten, die man als sachlicher Betrachter nur mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen kann.

Zweifellos trifft die vegane Ernährung den Zeitgeist und wird sich als Ernährungsform bei einem Teil der Bevölkerung, vor allem bei jungen Frauen, etablieren. Dagegen ist wenig einzuwenden. Denn sich rein pflanzlich zu ernähren, hat durchaus gesundheitliche Vorteile, insbesondere eine bessere Kontrolle des Körpergewichts und die Vermeidung von Adipositas. Obgleich die Studienlage dazu noch relativ dünn und die Qualität der publizierten Studien meist nicht gut ist. Hier besteht noch ein großer Nachholbedarf im Vergleich zu anderen Ernährungsformen.

Gefahr von Nährstoffdefiziten

Um von einer rein pflanzlichen Ernährung gesundheitlich profitieren zu können, müssen Veganer allerdings wissen, dass es dabei leicht zu Nährstoffdefiziten kommen kann. Das gilt insbesondere für die Versorgung mit Vitamin B12, das fast ausschließlich in tierischen Lebensmitteln enthalten ist. Eine Supplementierung ist daher bei veganer Ernährung unverzichtbar, sei es mit Nahrungsergänzungsmitteln oder über mit Vitamin B12-angereicherten Lebensmitteln. Auch andere Inhaltsstoffe wie Kalzium, Vitamin D, Riboflavin, Eisen, Jod, Zink und Omega-3-Fettsäuren sind möglicherweise zu knapp und sollten bei Bedarf supplementiert werden.

Ohne Zweifel ist der Fleischkonsum hierzulande deutlich zu hoch, was nicht nur ein ökologisches Problem darstellt, sondern auch die menschliche Gesundheit gefährdet. Dennoch glaube ich nicht, dass die Menschheit in Zukunft ganz auf Fleisch verzichten wird. Schließlich ist der Mensch von seiner Evolutionsgeschichte her ein Allesesser. Die Mehrheit der Deutschen wird sich daher nicht dauerhaft vom Fleischkonsum abbringen lassen. Entscheidend ist jedoch die Menge. Als ideale Ernährungsform wird heute von Expertengremien weltweit eine vielseitige, pflanzlich betonte Kost mit einem eher kleinen Anteil tierischer Lebensmittel (z. B. maximal 300—600 Gramm Fleisch oder Fleischprodukte pro Woche!) empfohlen — so wie das übrigens auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) schon in ihren 10 Regeln rät.

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